Zen
Ich habe Retreats im Zen von 1995 bis 2019 besucht, insbesondere bei Willigis Jäger in Würzburg, später in Holzkirchen am Benediktushof, dann auch bei Doris Zölls, seiner Nachfolgerin; ebenso in Japan im Hosshinji und Bukkokuji 2004 in Obama.
Die folgenden Texte sind meinen Tagebuch-Notizen und Mitschriften entnommen….
29.06.1995 Würzburg Benediktiner Kloster
Ich sitze auf meinem Bett und es ist kurz vor 18 Uhr, gleich geht das erste Zen-seminar meines Lebens los. Ich bin innerlich aufgeräumt, eine stresslose Bahnfahrt von Hamburg nach Würzburg habe ich hinter mir und habe bereits mit meinem Zimmerkollegen ein schönes Gespräch gehabt. Er hat das Impulsive, Menschliche und Einfache von Williges Jäger hervorgehoben.
Was geht gerade in mir vor? Nicht unbedingt wie vielleicht jemandem, der eine strenge Zen-session vor sich hat. Ich nehme mir vor, alles so geschehen zu lassen und zu spüren, alles aussprechen und das Fühlen zu üben, auch mal Stille einkehren zu lassen und auf der Grundlage bewusst nicht sprechen und immer wieder Stille einkehren lassen. Immer bewusster zu spüren, wer und was ich bin. Willigis Jäger erklärt in seiner Einführung, wer das Geheimnis von Leben und Tod nicht erforschen wolle, der brauche mit Zen gar nicht erst anzufangen. Es gehe darum, sich selbst immer besser kennen zu lernen, in sich hinein zu lauschen. Er empfiehlt, achtsam jede kleinste Kleinigkeit auszuführen. Daran sehe man, ob jemand im Inneren Schweigen steht, wie er zum Beispiel das Licht an- und ausknipst, wie er das Geschirr bewegt und so weiter. Williges hat seine einleitenden Ausführungen vom Blatt abgelesen, das hat mich etwas enttäuscht. Die Stille finde ich sehr heilsam, es ist eine tiefe Stille, es ist wie ein tiefes Einsinken. Ich empfinde es nicht als streng oder lustfeindlich. Es ist einfach, einfach sitzen, nichts leisten müssen, das Gegenwärtige ganz annehmen. Ich erlebe die Meditation als Geschenk der Vereinigung von Hingabe und Ausrichtung auf das Wesentliche. Die Sitzhaltung erscheint mir als Aktivität der Aufrichtung, die Passivität des Sitzens erscheint mir wie ein stetes Öffnen und Hingabe an den Moment. Ich übe hier das Loslassen, auch Ängste loszulassen erscheint mir als tieferer Sinn der Meditation und ich frage mich, was habe ich jetzt und hier loszulassen?
Willigis erläutert den Zen-weg als einen Weg in die Stille, dabei begleite der Zen Meister den Schüler im Dokusan, dem vertraulichen Zwiegespräch
. Willigis erklärt in seinem Teisho, dass das Ziel dieses Weges aber nicht die Stille sei, sondern der Alltag. Alle meditativen Wege, die die Stille als Ziel ansähen, seien Irrwege, es gehe um den Weg in den Alltag. Diesen Weg aber, aus der meditativen Erfahrung den Alltag zu gestalten, begleiten die Zen Meister in den seltensten Fällen. Schon die Gemeinschaft der Schüler trage da kaum, da keine Freundschaften entstünden während der strengen Schweigeübung. Und in den Orten, die einen Zen Kreis bilden und anbieten, da finde sich kein spiritueller Lehrer in Vertretung des Meisters.
Eine offene Frage ist für mich, wo die Lebensfreude in diesem System bleibt. Und was ist mit dem Danach, nachdem ich stundenlang in der Stille gesessen habe, es findet hier kein Danach statt. Wo findet hier Herzlichkeit statt, eine herzliche Umarmung? Ich sehe nirgends leuchtende strahlende Augen, eher die Quälerei und Anstrengung infolge der langen Sitz-Übung.
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